Nachlese zum Online-Dialog „Raumplanung im Regierungsprogramm – und ihre Umsetzung?“
3. September 2020, Online-Dialog
Im Jänner 2020 präsentierte die neue Bundesregierung das Regierungsprogramm 2020-2024. Im Vergleich zu früheren Regierungsprogrammen spricht dieses viele raumplanungsrelevante Themenbereiche unmittelbar an. Die Maßnahmen finden sich in unterschiedlichen Kapiteln des Regierungsprogramms, da die Raumplanung keine für sich alleinstehende und klar abgegrenzte Disziplin ist, sondern in vielen Themenbereichen wirkt und auf unterschiedlichen Ebenen – in erster Linie durch Länder und Gemeinden, aber auch auf Bundesebene – zu regeln bzw. zu betreiben ist.
Der vom ÖIR und der Österreichischen Gesellschaft für Raumplanung (ÖGR) organisierte Online-Dialog am 3.9.2020 widmete sich daher der Kernfrage, wie die ambitionierten Ziele und Absichten des Regierungsprogramms in die Umsetzung kommen können. Da die Raumplanung eine Querschnittsmaterie ist und die Umsetzungsmöglichkeiten durch die zersplitterte Kompetenzverteilung erschwert werden, haben wir gemeinsam mit Fachleuten der Raumplanung und Raumentwicklung in der Verwaltung und der Planungscommunity mögliche Ansatzpunkte und Lösungen diskutiert.
Arthur Kanonier skizzierte in seinem Impulsvortrag die im Regierungsprogramm verankerten Raumplanungsthemen, die einen großen Bogen spannen von der klimaschutzorientierten Energieraumplanung, über eine österreichweite Bodenschutzstrategie für sparsamen Flächenverbrauch, Brachflächenrecycling und Leerstandsmanagement, Förderung der Baukultur, Forcierung der Vertragsraumordnung und Baulandmobilisierung bis hin zu einem Raumentwicklungskonzept für alpinen Raumordnung.
Nationalratsabgeordnete Astrid Rössler, die maßgeblich die raumplanungsrelevanten Themen im aktuellen Regierungsprogramm mitverhandelt hat, gab in ihrem Einleitungsstatement und ihren Diskussionsbeiträgen u.a. auch einen Einblick in ihre Erfahrungen als ehemalige Landesrätin in Salzburg, wo sie auf zahlreiche Widerstände bei der Umsetzung restriktiver Raumplanungsmaßnahmen gestoßen ist. Große Teile der lokalen Politik, Wirtschaft und Bevölkerung sehen in einer Stärkung der überörtlichen Raumplanung eine Gefahr für die Handlungsebene der Gemeinde. Hier braucht es behutsame und konkrete Transformationsschritte.
Reinhard Hrdlicka vom Büro Dr. Paula gab einen Einblick in die Umsetzung auf Gemeindeebene und hat ebenfalls auf das Spannungsfeld zwischen den Interessen von BürgermeisterInnen und Gemeinderat, den Wünschen der Bürger und den Raumplanungszielen v.a. hinsichtlich Flächensparen hingewiesen. Gemeindekooperationen könnten durch das Regierungsprogramm Rückenwind bekommen, eine Vereinheitlichung von Baugesetzen der einzelnen Bundesländer wäre wünschenswert.
Unter der Moderation von Erich Dallhammer diskutierten die TeilnehmerInnen Ansatzpunkte, wie die zahlreichen im Regierungsprogramm genannten Ziele und Maßnahmen auch in die Umsetzung gebracht werden können. Die wichtigsten von den DiskussionsteilnehmerInnen genannten Vorschläge waren:
- Höhere Besteuerung von Leerstand und Brachflächen, z.B. in Form eines Bonus-Malus-Systems im Zuge des Finanzausgleichs;
- Erarbeitung einer gemeinsamen Bodenschutzstrategie von Bund, Ländern, Gemeinden und Stakeholdern;
- Stärkere Förderung von Stadtregionen und Gemeindekooperationen – als internationale Beispiele gelten die Schweizer Agglomerationspolitik, welche die Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden verfolgt oder die „Agreements on land use, housing and transport“ (MAL) in Finnland: Diese Vereinbarungen unterstützen die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden in städtischen Regionen sowie zwischen Gemeinden und Staat bei der Koordinierung von Flächennutzung, Wohnbau und Verkehr;
- Initiieren der politischen Konferenz der ÖROK oder eines ähnlichen Formats als Diskussionsforum ohne den Zwang Beschlüsse fassen zu müssen. Als Anlass könnte der Beschluss des ÖREK 2030 dienen. (Dieses politische Beschlussorgan der ÖROK umfasst alle BundesministerInnen und Landeshauptleute, die Präsidenten des Österreichischen Städtebundes und des Österreichischen Gemeindebundes sowie mit beratender Stimme auch jene der Wirtschafts- und Sozialpartner).